DESERT DASH 2022 03
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The NEDBANK DESERT DASH – Platz 4 beim längsten MTB-Eintagesrennen der Welt

Meine persönliche Desert-Dash-Geschichte begann Ende des Corona-Jahres 2020. Durch meinen Cousin, der mit seiner Frau eine Namibia-Reise über Weihnachten machte, richtete ich meine Aufmerksamkeit zum ersten Mal auf das mir noch unbekannte Land Namibia und ich staunte nicht schlecht über die tollen Fotos von den unendlichen Weiten und der Natur-Vielfalt. Ich befragte Google zu Namibia und stolperte schnell über das Ultra-MTB-Rennen „Desert Dash“, welches seit 2005 jährlich stattfindet. Mein Entschluss stand schnell fest: Ich möchte das Rennen über die – damals noch 364 km, mittlerweile 395 km – als Solofahrerin finishen und die einzigartige Landschaft auf diese extreme Art und Weise erleben. Das Jahr 2021 war also von nun an mit voller Vorfreude auf die Reise und das Rennen im Dezember geprägt. Ich bereitete mich intensiv in einem späten Trainingslager im November auf Lanzarote vor. Doch auf meiner letzten langen Radeinheit wurde die Vermutung leider eine Tatsache: es würde für mich kein Desert Dash 2021 geben. Aufgrund einer neuen Corona-Virusvariante wurde von Reisen nach Namibia dringend abgeraten. Und wir wollten Weihnachten nicht in irgendeinem Quarantäne-Hotel verbringen müssen. Meine hart erarbeitete Form konnte ich also nicht nutzen und ich ertrank meinen Frust in Glühwein und Weihnachtskeksen. Dann aber im nächsten Jahr!! Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Unsere Reisepläne, die wir mit Namibia Click & Travel von Nina Holtrup haben organisieren lassen, konnten wir 1:1 für dieses Jahr übernehmen.

Meine diesjährige Vorbereitung sah allerdings etwas anders aus als im letzten Jahr. Mit dem IRONMAN Israel und meinem letzten Rennen als Profi-Athlet fokussierte ich mich auf das Training für den Triathlon und saß dementsprechend überwiegend auf dem Zeitfahrrad, statt auf meinem MTB. Meine Laufumfänge im letzten Jahr im November lagen bei Null, in diesem Jahr habe ich viel Zeit ins Laufen investiert. Die Woche mit dem höchsten Laufumfang lag bei 90 km.

Kaum von Israel wieder zurück im kalten Deutschland, saßen Uli und ich ein paar Tage später wieder im Flieger Richtung Afrika. Zum ersten Mal seit langer Zeit war ich ohne Sportgepäck unterwegs. Die Mitnahme meines STEVENS-MTB sollte bei Lufthansa 250 € pro Strecke kosten, was ich als reichlich überteuert ansehe. Zum Glück konnte ich in Windhoek ein geeignetes MTB leihen. Ein großer Vorteil war, dass dieses Leihrad ein Fully war, ganz im Gegensatz zu meinem Hardtail. Die Strecke führt zwar überwiegend über Gravelroads, doch die vielen „Wellblech-Abschnitte“ sowie die extrem lange Zeit des Rennens, beanspruchen den Körper (besonders die Unterarme!) extrem, sodass man hier den Komfort unbedingt vorziehen sollte. Die ersten Tage unseres Namibia-Abenteuers standen ganz im Sinne der Akklimatisation und des Sightseeings. Windhoek liegt auf 1.700 m über dem Meeresspiegel. Nach unserer 10-Stündigen Flugreise mit so gut wie keinem Schlaf, stieg ich noch am selben Tag unserer Ankunft für eine Stunde auf das Rad und fuhr einen Teil des Kupferbergpasses (2.000 m ü.NN). Ich fühlte mich müde, schlecht und völlig kraftlos… „Na, das kann ja was werden!“

In den ersten Tagen bekam ich einen vagen Eindruck der Rennstrecke. Und von den unendlichen Weiten des Landes. Namibia hat nur 2,5 Millionen Einwohner. Pro Quadratkilometer leben 2,83 Menschen. Zum Vergleich: In Deutschland leben 235 Menschen auf einem Quadratkilometer! Sogar in Norwegen tritt man sich mit 14 Einwohnern pro Quadratkilometer noch auf die Füße! Auf meinen kurzen Trainingseinheiten mit dem MTB traf ich unterwegs also mehr Tiere als Menschen oder Autos. Extrem unruhig wurde ich bei meiner ersten Begegnung mit aggressiv dreinblickenden Pavianen, die vor mir auf der Straße liefen. Oh Gott, wie reagieren diese ungemütlichen Gestalten, wenn ich mich mit dem MTB nähere? Klauen sie mir nur mein Bike oder beißen sie sich in meinen Waden fest? In dem Moment wurde mir wieder deutlich, wie wenig ich über das Land und seine Bewohner wusste. Doch zu meinem Glück verschwanden die großen Primaten, bevor ich mir vor Angst in die Hose machte.

Drei Tage vor dem Rennen trafen wir wieder in der Hauptstadt Windhoek ein. Nun kam uns die beschauliche Stadt im Hochland mit ihren 431.000 Einwohnern vor wie eine lärmende Metropole. An die Stille der Wüste kann man sich schnell gewöhnen. Einen Tag vor dem Rennen machte ich einen letzten Materialcheck. Das Bike hatte noch mal neue Mäntel bekommen und meine Akkus für die Beleuchtung in der Nacht waren aufgeladen. Am meisten Angst hatte ich vor einem technischen Defekt oder einem Platten im Rennen, ansonsten überwog die Freude auf dieses einzigartige Erlebnis. Ich hatte keine großen Erwartungen an mich, außer die Finishline innerhalb der Cut-Off-Zeit von 24 Stunden zu erreichen.

Die Nacht vor dem Rennen habe ich sogar einigermaßen gut geschlafen – anders als bei meinen Triathlon-Rennen, was meine Theorie manifestiert, dass meine Schlaflosigkeit mit der schrecklich frühen Uhrzeit zusammenhängt, zu der wir aufgrund der ebenfalls unmenschlich frühen Startzeit eines Triathlon-Rennens gezwungen werden aufzustehen. Darauf erfolgt meist die Erkenntnis, dass ich das alles freiwillig tue, um… ja, eigentlich um Spaß zu haben; was dann irgendwie nicht ganz zusammen passt. Aber das ist ein anderes Thema. Start des Desert Dash war um 14:30 Uhr. Man könnte jetzt einwenden, dass man es mir ja gar nicht recht machen kann, wenn ich nun zugebe, dass diese Startzeit wiederum etwas spät ist. Doch ein früherer Start würde bedeuten, dass viele der schnellen Athleten im Dunkeln ins Ziel kämen (was bei der Männer-Spitze jetzt schon der Fall ist), sowie, dass die Athleten noch länger der starken Mittagshitze von bis zu 40 Grad ausgesetzt sind. Die Zeit bis zum Start galt es also irgendwie zu überbrücken. Uli war samt Gepäck schon früh zum Checkpoint 2 (Kilometer 174) aufgebrochen. Ich saß in Radklamotten alleine ohne Handy oder Buch auf dem Hotelzimmer.

Der Startschuss war die Erlösung. Endlich ging es los! Bislang hatte ich mit der Hitze keine Probleme, da die Luft sehr trocken ist. Doch heute raubte mir die Hitze am Anstieg zum Kupferberg schon viel Energie. Oben auf dem Hochplateau angekommen, machte uns ein starker Gegenwind das Vorwärtskommen zur Qual. Eine kleine Gruppe half, nicht ständig alleine im Wind fahren zu müssen. Schnell war ich auf mir noch unbekanntem Terrain. Ich kannte die Strecke und ihr Höhenprofil nur von der Karte. Nach 98 km erreichten wir Checkpoint 1 – ein erstes Highlight. Der Verpflegungsstand bot alles, was das Bikerherz begehrt. Sogar das Rad wird durchgecheckt und die Kette wird mit neuem Öl wieder geschmeidig gemacht. Mit dem Start in die Stage 2 ging es auch in die Nacht. Die Sonne verabschiedete sich gegen 19:30 Uhr. Ich freute mich auf die Dämmerung und die tollen Farben am Himmel. Meine Kräfte ließen schon nach Stage 1 nach und mich begleiteten leichte Kopfschmerzen als Folge von der Hitze am Tag. Ich setzte darauf, dass die Nacht wieder etwas Frische zurückbringt, auch für meinen Körper.

Stage 2 überraschte mich mit einem Sägezahnprofil vom Feinsten. Ein ständiges, nicht enden wollendes Auf und Ab auf breiten Schotterpisten. Die Dämmerung wurde von der Schwärze der Nacht und den leuchtenden Sternen abgelöst. Wo war der Mond? Hatten wir nicht nahezu Vollmond? Nach einer kurzen Zeit der Finsternis sah ich den großen goldenen Mond am Horizont aufgehen. Ein willkommener Helfer in der Einsamkeit der Nacht. Und ja, einsam war es teilweise. Im Schein meiner Lupine-Lampe, die ich am Lenker befestigt hatte, fuhr ich alleine keuchend durch die menschenleere Dunkelheit. Das Geräusch der Reifen auf dem Schotterhighway und der Fahrtwind in meinen Ohren gaben mir ein dezentes Gefühl der Sicherheit. In der Ferne ein paar rote Rücklichter anderer Fahrer, ab und zu ein Support-Auto der Teams, die mich in einer großen Wolke von Staub und Dreck überholten, einige weiße Scheinwerfer der Fahrer hinter mir, die mich vielleicht bald überholen würden, das war mein Bild der Nacht. Die Strecke ließ sich nur schemenhaft erahnen. Was folgte nach einer steilen kurzen Abfahrt? Meist ein gemeiner Gegenanstieg. Mein nächster Ankerpunkt war Checkpoint 2 (km 174), an dem Uli auf mich wartete. In meinem Tran bin ich erst einmal an der Einfahrt zum Checkpoint vorbei gefahren und musste umdrehen. Ich erwartete ebenfalls eine große Verpflegungsstation mit reichlich zu Essen. Denn ich setzte ganz auf die Race-Verpflegung und wollte einfach viel Essen, anstelle mich mit Gels zu ernähren. Diese Strategie konnte ich schnell über Bord werfen, denn 1.) hatte ich keinen Hunger, und 2.) gab es keine Verpflegung vom Veranstalter an den restlichen Checkpoints, was ich nicht wusste und was auch nicht deutlich kommuniziert wurde. In meiner Verzweiflung aß ich während der Fahrt zwei Tütchen mit Getränkepulver, die im Mund schäumten wie ein warmes Schaumbad. Auch nach meiner fünften Frage an den leicht überforderten Uli (Supporter sein ist kein leichter Job!) antwortete er immer mit den selben Worten: „Hier gibt es keine Verpflegung!“ Nur seine Intonation und Lautstärke wurde dabei eine energischere.

Mir blieb also nichts anderes übrig, als weiterzufahren. 41 km bis zum nächsten Waterpoint, weitere 46 km bis zum Checkpoint 3, an dem Uli wieder stehen würde, um die Launen einer übermüdeten und erschöpften Athletin zu ertragen. Die Strecke veränderte sich von nun an. Plötzlich folgten tiefe Sandpassagen, vor denen ich vielleicht zu viel Respekt hatte. An vielen Stellen gab ich schnell auf zu fahren und schob mein Bike lieber. Denn meinen ersten Sturz, der zum Glück glimpflich im weichen Sand endete, hatte ich nun schon hinter mir. Zu groß war die Angst, aufgrund eines Sturzes einen technischen Defekt zu riskieren, oder mich sogar zu verletzen. Von nun an war auch der Sand in meinen Radschuhen ein stetiger Begleiter. In Gedanken fing ich schon an zu rechnen, wann es denn wieder hell wird. Doch diese Gedanken wischte ich in meinem Kopf schnell zur Seite! Bloß nicht in Stunden denken. Denn 5 Stunden sind im „normalen Athletenleben“ eine lange Radausfahrt. In diesem Rennen denkt man lieber von Waterpoint zu Waterpoint. Irgendwann hatte ich Checkpoint 3 bei Kilometer 261 erreicht. Uli freute sich genauso mich zu sehen, wie ich ihn. Auch hier gab es keine Verpflegung vom Veranstalter, das hatten wir nun schon vermutet. Irgendwo her hat mir Uli eine Banane organisiert, die ich dankend aufaß. Ich befand mich mittlerweile auf Platz 4 bei den Damen, was mich freute. Meine Kopfschmerzen waren nahezu verschwunden und ich spürte nur die übliche Erschöpfung, sonst ging es mir gut. Beim Verlassen des Checkpoint noch einen Kuss: „Bald wird es hell und dann ist der letzte Checkpoint auch schon nahe!“ verabschiedete mich Uli in die noch immer anhaltende Dunkelheit.

Als ich den ersten roten Schimmer am Horizont erblickte, überkam mich einerseits ein Gefühl der Dankbarkeit, in diesem Moment an diesem Ort zu sein; andererseits wollte ich einfach nur bald das Ziel erreichen und meinen Popo und den restlichen Körper von diesen Schmerzen befreien. Nächster Waterpoint bei Kilometer 309, nächster Checkpoint 4 (der letzte!!) bei Kilometer 345. Dann sind es „nur“ noch 50 Kilometer bis an die Küste und ins Ziel. Kurz vor Checkpoint 4 geht man in eine lange Abfahrt mit tollen Aussichten in die Mondlanschaft bei Goanikontes. Unten wartet der sehr belebte Checkpoint, wo alle Teamfahrer gemeinsam in die letzte Etappe aufbrechen. Ich traf dort Nina Holtrup mit ihrer Teampartnerin Raquel, die mich später auf den letzten Kilometern in ihrem Windschatten mitnahmen und motivierten. Vielen Dank, Mädels! Doch bevor es soweit war, lagen noch einige kleinere Anstiege sowie ein paar Sandpassagen vor mir. Und wieder küsste ich den Boden. Diesmal landete ich mitten in einem Busch, der laut unter mir und meinem Bike knartze. Wieder hatte ich Glück, mir nicht weh getan zu haben. Nur keine falsche Bewegung machen beim wieder aufrichten, denn der Körper ist nun krampfanfälliger als sonst. An giftige Schlangen und Skorpione, die hier im Unterholz lauern können, dachte ich zu dem Zeitpunkt Gott sei Dank nicht. Bald konnte man die Stadt erahnen, noch einmal war ich unsicher des Weges und musste kurz Kehrt machen, um mich bei einem Streckenposten zu vergewissern, wo die Strecke herführt.

Entlang der Bahnschienen, mitten durch das Ortseingangsschild von Swakopmund, führt der Weg seit Windhoek zum ersten mal wieder in ein von Menschen besiedeltes Gebiet. Schon bald erblickte ich das Meer und mir fielen ein paar Freudentränen aus dem Gesicht. Die Zieleinfahrt nach 395 Kilometern und circa 3.500 Höhenmetern im Sattel quer durch die älteste Wüste der Welt, der Namib, ist eine ganz Besondere! Was für ein Erlebnis, was für eine Leistung! Nach 19:30:45 Stunden (Pace 20,35 Km/h) erreichte ich (Danke an Uli, der wiederum selbst von dem Supporterteam „Cycles4U“ rund um Nina Holtrup unterstützt wurde!) die Finishline (Platz 4) mit einer tiefen Zufriedenheit, die mich hoffentlich noch lange begleiten wird, bevor ein neues Abenteuer auf mich wartet.

Nun verabschiede ich mich in die Offseason mit einer kurzen komplett sportfreien Zeit!
See you in 2023!